Jede:r kennt es: Da kauft man einen neuen Schuh im Netz, freut sich – und muss ihn zurückschicken. Die Größe war doch keine 45, sondern eher eine 46 oder gar eine 48. Oder – wtf? Was wir hier erleben, ist ein System, das gar kein System ist. Schuhgrößen variieren von Hersteller:in zu Hersteller:in, weil jede:r so machen kann, wie es gerade passt. Footprint Technologies ist angetreten, das zu ändern und aus dem Nicht-System ein System zu machen. Wir haben mit dem Gründer Matthias Brendel darüber gesprochen, wie das gehen kann – und natürlich: Welche Rolle Innovation dabei spielt.
robotspaceship: Schuhgrößen sind was, über das denkt man nur dann nach, wenn man einen Schuh bestellt. Und dann ist man meistens verwirrt. Wie kann man das besser machen?
Matthias Brendel: Indem man den Kund:innen eine Lösung bietet, die ihnen schon beim Bestellen die für sie richtige Größe zum jeweiligen Schuh ermittelt und das direkt und seamless im Kaufprozess. Das vermeidet Unsicherheit bei der Bestellung und die daraus resultierenden Größenauswahlbestellungen, die zur durchschnittlichen Retourenquote von 50 % beitragen.
Und warum ist das im Zeitalter von KI und Digitalisierung nicht längst Standard?
Da die Schuhindustrie vergleichbar ist mit großen Konzernen. Ich selbst war lange in einem Automobilkonzern beschäftigt und habe es da schon erlebt: In großen Systemen gibt es ganz oft ganz große Trägheit und Beharrungskräfte. Sie versuchen, Veränderung zu bremsen. Aber es ist auch so: Wenn du etwas Neues machen möchtest, für das es noch keinen Prozess gibt, kannst du Dinge anders machen und niemand wird dich aufhalten – so kann man die Systemträgheit für die Ermöglichung einer Innovation nutzen. Das funktioniert natürlich nur, solange du dich natürlich innerhalb der ganz grundsätzlichen Compliance- und rechtlichen Grenzen bewegst.
Damit jetzt endlich mal zu dem, was ihr bei FOOTPRINT macht: Warum vermesst ihr Füße?
Weil Schuhgrößen ein willkürliches System sind. Es gibt in verschiedenen Ländern verschiedenen Größensysteme, die alle nicht sauber ineinander umrechenbar sind. Dann ist das nächste Problem, dass die Hersteller auch keine konsistente Modellpalette haben. Das heißt, es gibt immer Modelle, die einfach nicht in das Größensystem eines Herstellers passen. Ich habe zwischen einer 43 und einer 47 alles im Schuhschrank, teilweise vom gleichen Hersteller.
Und warum ist das jetzt wichtig?
Weil das die wahnsinnig hohen Retour-Quoten in der Branche erklärt. Niemand kann sich sicher sein, dass die bestellte Größe auch wirklich passt. Also bestellt man ganz oft mehrere Größen gleichzeitig – eine behält man im besten Fall, den Rest schickt man zurück. Ökologisch und ökonomischer ist das Wahnsinn, wenn bei großen Plattformen Schuhe bis zu viermal verschickt werden müssen, bis sie am Ende behalten oder am Ende verschlissen vernichtet werden. Viele Shops haben sich inzwischen aber einfach daran gewöhnt, dass mehr als die Hälfte aller Bestellungen zurückgeschickt wird. Dass Kund:innen mehrere Größen eines Schuhs bestellen, hat übrigens mit dem Quelle-Katalog angefangen. So tief steckt das in uns.
Wir haben also ein Nicht-System, an das Kund:innen und Händler:innen sich irgendwie gewöhnt haben. Wie bricht man das jetzt auf?
Du kannst natürlich nur eine Lösung verkaufen, wenn dein:e Gegenüber ein Verständnis des Problems hat. Du kannst nur jemandem einen Regenschirm verkaufen, der den Regen kennt. Sprechen wir die Endnutzer:innen an, haben wir die Value Proposition, dass sie Zeit sparen, weil sie keine Retoure mehr abwickeln müssen. Wir machen den ganzen Prozess rund um „Schuhe online kaufen“ einfach effizienter. Die Hersteller- oder Shop-Seite gewinnen wir über das gleiche Versprechen: Retourenreduktion senkt Kosten und erhöht auch Kundenzufriedenheit. Und gerade die Herstellerseite ist für uns wichtig, weil die natürlich alle Daten über das Produkt kennen. Die wissen, welcher Schuh größer und kleiner ausfällt und warum – und dieses Wissen brauchen wir, um optimal empfehlen zu können. Gleichzeitig machen wir uns eine große Veränderung zunutze.
Welche?
Es ist noch gar nicht so lange her, dass Marken nur an Händler:innen verkauft haben, die dann an die Endkund:innen verkauft haben. Retouren waren dann Händler-Problem. Jetzt machen Marken aber immer mehr Direct-to-Consumer-Business. Auf einmal ist es deren Problem im eigenen Webshop. Das ändert alles und deshalb sind sie auf einmal auch dazu bereit, eine Lösung wie die unsere zu unterstützen, weil sie sie selbst nutzen möchten.
Glaubst du, dass es dadurch dann auch zu einer Standardisierung von Schuhgrößen kommen kann?
Nein, eigentlich nicht. Die Marken hätten ihre Produkte schon seit Jahrzehnten einheitlich machen können. Sodass du genau weißt, eine 43 ist eine 43. Das haben die wenigsten geschafft und ich glaube auch nicht, dass sie das tun werden, weil es halt immer Heritage-Modelle gibt, die seit Jahrzehnten gut laufen und deshalb nicht verändert werden. Und daneben gibt es neue Modelle, die nach ganz anderen Gesichtspunkten definiert werden, auf die dann trotzdem die gleiche Größe gedruckt wird, auch wenn es eigentlich eine andere Größe ist. Wenn überhaupt, wird der Passformabgleich mit Fußmodels einer bestimmten Größe, z.B. bei Damen Größe 38 gemacht; wie die anderen weit davon entfernten Größen passen, steht selbst dann nicht im Fokus. Dadurch, dass es einfach ein gewachsenes und nicht genormtes System ist, ist es schwer, da wirklich eine Standardisierung zu erreichen.
Ist aber auch ein bisschen egal, wenn ihr die Daten habt, durch die ihr dann für Kohärenz sorgen könnt, oder?
Genau! Was wir im Endeffekt machen: Wir bringen das Passform-Know-how, das bei den einzelnen Marken irgendwo im Verborgeneren existiert in die Online-Transaktionen, damit die Nutzer:innen und der Shop davon profitieren und die Kund:innen die Größenempfehlung bekommen, die wirklich passt.
Wenn man sich mit dir unterhält, bekommt man ein bisschen das Gefühl, dass Innovation und Transformation eher technische als kreative Prozesse sind.
Absolut. Ich würde sagen, es sind 10 Prozent Inspiration und 90 Prozent Transpiration. Die Idee zu haben, ist der Startpunkt. Sie dann aber auch wirklich in die Welt und zur Umsetzung zu bringen, das ist dann ganz viel Dranbleiben, kleine Details anpassen, Probleme lösen, Menschen überzeugen. Die Idee, der kreative Teil, das ist ganz am Anfang – auf dem Weg wird es dann aber meistens doch sehr mechanisch. Es gibt viele Dinge, die halt einfach gemacht werden müssen. Bis du Freigaben hast, bis du mit deiner Software in einem Store gelistet bist – das ist sehr viel Fleißarbeit, die da drinsteckt.
Warum eigentlich Schuhe? Weil das Innovationspotenzial so hoch ist?
Ich habe eine Faszination für Mobilität. Und die fängt auf zwei Füßen in passenden Schuhen an, das ist mir über die Jahre bewusst geworden. Das ist die Basis, die dich bis ins hohe Alter an Mobilität teilhaben lässt oder sie dir wegnimmt. Mich hat das Thema einfach immer umgetrieben, weil ich selbst immer wieder Probleme hatte, passende Schuhe zu finden und weil es acht Milliarden Menschen betrifft, also insgesamt 16 Milliarden Füße. Ich finde, das ist ein richtig großes Thema für die Menschheit.
Mobilität ist natürlich eines der wichtigsten Themen, die wir im Moment kennen.
Ja und mich fasziniert vor allem, wie wir neue Ansätze schaffen können, um mit Technologie Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Ich habe mal darin promoviert, wie man den Kraftstoffverbrauch von Autos reduzieren kann. Jetzt geht es mir darum, mit Softwaretechnologie, Retouren und dadurch unnötige Emissionen zu vermeiden.
Kommt das Thema Nachhaltigkeit überhaupt bei den Nutzer:innen an?
Es hängt stark vom Segment ab. Wenn es um Outdoor- und Running-Schuhe geht, sind die Leute sehr affin. Im Modesegment würde ich jetzt sagen, eher weniger. Bei den Shops hat das Thema wenig Aufmerksamkeit. Die meisten interessieren sich für die Profitabilität. Der Carbon-Footprint ist für die meisten noch sehr weit weg, obwohl ab 2025 da ein sehr hartes Reporting eingeführt wird.
Ihr löst also zwei Pains: Ihr steigert die Effizienz und sorgt für mehr Nachhaltigkeit.
Ja, das ist natürlich ein optimaler Innovations-Case. Das bietet tatsächlich auch großen Spielraum für die Story, die wir erzählen. Denn es gibt einfach doch viele Kund:innen und viele Marken, die Leader in Sachen Nachhaltigkeit sein wollen.
Was ist Footprint Technologies?
Footprint Technologies ist ein Tech Startup aus Berlin. Es hilft Online-Kund:innen dabei, die richtige Schuhgröße zu finden und löst damit mehrere Probleme: Durch die Technologie werden Einkäufe einfacher, sie senkt die Retour-Quoten – was wiederum gut für die Umwelt ist. Gegründet wurde das Unternehmen von Matthias Brendel – er war vorher in der Automobilindustrie tätig.
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