Magazin NEUSTART INNOVATION
  • Bastian Hosan
  • 23.01.2024

Wie moderne Verkehrskonzepte für weniger Autos auf den Straßen sorgen können

Das Auto – ein Statussymbol. Die Zeiten sind zwar noch nicht ganz vorbei, könnten es aber bald sein. Vor allem, weil es immer mehr Ideen gibt, wie man seine alltägliche Mobilität auch ohne eigene Auto regeln kann. NAVIT etwa bietet ein Mobilitätsbudget für Mitarbeiter:innen. Ist Innovation am Ende der Schlüssel für grünere Städte? Ein Gastbeitrag von René Braun.

Mit der Mobilitätswende ist es ein bisschen so, wie mit guten Neujahrsvorsätzen. Viele nehmen sich vor, jetzt aber wirklich was zu ändern: Das Auto stehenzulassen, öfters mit dem Rad zu fahren und den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Doch dann kommt irgendwie immer was dazwischen: Es ist zu kalt, also lieber mit dem beheizbaren Auto ins Büro. Dann ist es zu nass, zu heiß, man ist zu spät dran und insgesamt ist das Auto eben auch sehr bequem. Warum also darauf verzichten?

Weil es sein muss. Nur wenn wir alle unser Mobilitätsverhalten anpassen, können wir die erwarteten Folgen der Klimakrise noch reduzieren. Unternehmen spielen dabei eine wichtige Rolle. Diese haben es in der Hand und können entscheiden, ob sie ihrem Top-Management weiterhin den Dienstwagen als Incentive anbieten oder ob sie, viel moderner und zudem demokratischer, ihren Mitarbeitenden Alternativen anbieten. Darunter fällt beispielsweise das Mobilitätsbudget. Einige DAX-Konzerne, Mittelständler und Start-ups, wie SAP oder der Lufthansa Innovation Hub machen es vor und ersetzen das Statussymbol von einst durch multimodale Mobilität. Damit ist gemeint, dass Mitarbeitende jeden Tag auswählen können, wie sie ins Büro kommen möchten. Möglich sind geleaste E-Bikes, Carsharing, Jobrad, Jobticket, aber eben auch die Tank- oder Ladekarte für das Privatauto. Es geht also nicht in erster Linie um Verzicht, sondern darum, mehr Anreize zu schaffen, das eigene Mobilitätsverhalten zu hinterfragen und Alternativen zum Auto so attraktiv wie möglich zu machen.

Die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs, ein Beschleuniger für die Mobilitätswende?

Auf der Ebene der Unternehmen findet ein Umdenken statt. Wie sieht’s auf staatlicher Ebene aus? Immerhin hat sich Deutschland dazu verpflichtet, klimaschädliche Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Leider wird aber noch immer der klassische Dienstwagen steuerlich incentiviert. Im Zuge des wochenlang andauernden Haushaltsstreits der Bundesregierung war davon wieder viel die Rede. Zu Recht, denn das sogenannte Dienstwagenprivileg kostet den Fiskus jedes Jahr drei bis fünf Milliarden Euro. Diese Regelung ist also nicht nur aus der Zeit gefallen und klimaschädlich, sondern auch noch sehr teuer. Dass es anders geht, zeigt ein Blick in die Nachbarländer. In Großbritannien wird die Besteuerung schon seit 20 Jahren an ökologische Kriterien geknüpft: Fahrzeuge mit hohen Emissionswerten werden mit über drei Prozent des Bruttolistenpreises besteuert, die Besteuerung von Plug-in-Hybriden richtet sich nach der elektrischen Reichweite. Auch in Belgien geht man ähnlich fortschrittlich vor: In die Besteuerung wird unter anderem ein CO₂-basierter Emissionsfaktor eingerechnet. Zum Vergleich: Nach wie vor liegt die Besteuerung von Dienstwagen in Deutschland zwischen 0,25 % und 1 %.

Aber ist Abschaffung des Dienstwagenprivilegs die Lösung? Wenn wir alternative Ansätze, wie das Mobilitätsbudget, endlich steuerlich mit dem Dienstwagen gleichberechtigen, ist das Dienstwagenprivileg vielleicht gar nicht mehr nötig. Meine Wette ist, dass die CO₂-Emissionen bei gleichbleibenden Kosten deutlich sinken werden und sich noch viel mehr Menschen ermutigt fühlen zu prüfen, ob der Dienstwagen wirklich zu ihnen passt und was es stattdessen sein könnte. Denn nicht nur die Klimabilanz eines eigenen Fahrzeugs ist schlecht, es steht auch einfach 90 % der Zeit ungenutzt herum. In den Städten, in denen Platz eine knappe Ressource ist, besonders bitter. Da wäre geteilte und alternative Mobilität nicht nur klimafreundlicher, sondern würde auch Raum schaffen, der anders genutzt werden kann. Die Idee vieler Unternehmen, das Problem durch die Elektrifizierung des Fuhrparks zu lösen, hilft leider nicht. Auch individuell genutzte E-Autos haben keine bessere Auslastung, verbrauchen Platz und in der Herstellung viel Energie. Außerdem muss der Strom ja auch irgendwo herkommen und der ist nicht immer grün.

Nachhaltigkeitsbericht für das Geschäftsjahr 2024: Wer hier glänzen will, braucht auch ein neues und modernes Mobilitätskonzept für Mitarbeitende

Druck kommt auch von der EU: Die Verschärfung der „Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)“ sieht vor, dass EU-börsennotierte Unternehmen ab 2025 jeweils für das vergangene Geschäftsjahr einen Nachhaltigkeitsbericht zur eigenen Treibhausgasemissionsbilanz erstellen müssen. Genauso kann diese Regelung auch für nicht börsennotierte Betriebe gelten, wenn sie zwei von drei der folgenden Kriterien erfüllen: mehr als 250 Beschäftigte, Bilanzsumme über 20 Millionen Euro oder Nettoumsatzerlöse über 40 Millionen Euro. In der EU werden damit 50.000 Unternehmen, deutschlandweit 15.000, zum Nachhaltigkeitsbericht verpflichtet.

Parking Cash Out: Ein Projekt in Kalifornien zeigt, wie flexibel Menschen ihr Mobilitätsverhalten anpassen, wenn der Anreiz stimmt

Dass Verhaltensänderung leichter möglich ist, wenn man die Rahmenbedingungen entsprechend begünstigend anpasst, zeigt ein Projekt aus Kalifornien. Eine Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen kostenlosen Parkplätzen und dem Mobilitätsverhalten von Pendler:innen. Dabei kam heraus, dass sich der Anteil an Individualfahrten mit dem Auto um 25 % reduzierte, als kostenlose Parkplätze entfielen. Das Verkehrsaufkommen zu den Stoßzeiten verringerte sich sogar um 33 %. Wahrscheinlich hätte die Maßnahme aber zu sehr viel Protest geführt, wären die Parkplätze einfach gestrichen worden. Das Spannende an dem Projekt in Kalifornien ist die alternative Einführung eines Cash-out-Programms. Mitarbeitende können sich seitdem entscheiden, ob sie lieber den kostenlosen Parkplatz oder einen entsprechenden Geldwert als Benefit von ihrem Arbeitgeber haben möchten. In diesem Fall hat sich die Änderung des Mobilitätsverhaltens also gelohnt und viele dazu ermutigt, beispielsweise Fahrgemeinschaften zu bilden.

Dieses Beispiel zeigt, dass Anreize funktionieren. Wenn wir die Mobilitätswende erreichen möchten, müssen wir in Deutschland damit beginnen, diese auch anzubieten. Mit Blick auf die beliebtesten Neujahrsvorsätze der Deutschen für 2024 fällt mir da auch gleich noch was ein. Fast jede:r Zweite (48 %) hat sich vorgenommen, mehr Sport zu treiben. Das lässt sich natürlich sehr gut mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit erledigen. Und schnell ist man damit auch noch. Innerhalb der Stadt und auf Strecken von bis zu 7,5 Kilometern ist das E-Bike ungeschlagen. Da die Hälfte aller Autofahrten kürzer als fünf Kilometer ist, lohnt sich der Umstieg für viele Menschen. Das alles macht es immer schwerer, Ausreden zu finden, es nicht wenigstens mal auszuprobieren mit den alternativen Mobilitätsformen, oder?

Wer ist René Braun

 

René Braun ist Co-Gründer und CEO von NAVIT, der Mobilitätsplattform, mit der Unternehmen das gesamte Mobilitätsbudget ihrer Mitarbeitenden aufsetzen und verwalten können. Durch die vollständig automatisierte Integration in unternehmenseigene HR-, Payroll- und Steuersysteme lassen sich Anmeldungen und Zahlungen schnell durchführen und Berichte mühelos erstellen. Das spart Papierkram, viel Zeit und Geld. Startups, Mittelständler und Corporates wie Delivery Hero, Hyundai und Capgemini setzen bei ihren Mobilitätskonzepten bereits auf NAVIT. Vor der Gründung von NAVIT arbeitete René Braun beim Lufthansa Innovation Hub und Bombardier.

 

 

 

 

 

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