Jacken gibt es wahrlich genügende. Oder? Philine und Clemens Möller sahen das anders. Die beiden haben sich deshalb aufgemacht, eine neue speziell fürs Radfahren in der Stadt zu entwickeln. Mit MEDVIND haben sie eine Jacken-Linie auf den Markt gebracht, die den Bedürfnissen des Alltags zu jeder Jahreszeit gerecht werden soll. Die Frage ist nur: Wie entwickelt man so ein Produkt, wenn man nicht selbst aus der Bekleidungsbranche kommt? Wir haben mit ihnen darüber gesprochen.
robotspaceship: Okay, ihr habt eine Jacke fürs Radfahren entwickelt. Warum?
Philine: Ich habe ein E-Bike-Abo-Service mitaufgebaut. Dort haben wir beobachtet, dass viele Kund:innen den Service kündigen, wenn der Winter kommt und es kalt wird. Nachvollziehbar: Wer hat schon Lust, Rad zu fahren, wenn einem der Wind um die Ohren pfeift und der Regen auf die Brille schlägt?
Niemand?!
Philine: Eben. Aber ich war fürs Marketing zuständig und wir haben überlegt, wie wir den Life-Cycle der Nutzer:innen verlängern können.
Lass mich raten: mit einer Jacke?
Philine: Ja! Unsere Überlegung war, dass eine coole Jacke helfen kann. So bin ich auf die Idee gekommen und hier kommt dann eben Clemens ins Spiel. Ich habe mit ihm gesprochen, ob das klappen kann. Dann habe ich das Startup vor anderthalb Jahren verlassen. Übrig geblieben ist die Idee und der Wunsch, eine richtig gute Fahrradjacke zu bauen.
Clemens: Ich habe dann vorgeschlagen, einen Prototypen zu bauen. Es ging darum, einfach zu testen, ob das Ganze funktionieren kann.
Ihr habt den Need gesehen, um den Lebenszyklus geliehener Räder zu verlängern – aber auch, weil ihr selbst Rad fahrt?
Clemens: Ja, eigentlich haben wir ein Produkt für uns selbst gebaut.
Mit Erfolg?
Philine: Ich würde sagen, ja.
Ok, da würde ich später noch mal drauf zu sprechen kommen. Erklärt mir zuerst bitte, wie man vorgeht, wenn man eine Jacke baut. Ihr seid beide nicht aus der Bekleidungsbranche, oder?
Philine: Nein, kommen wir nicht. Aber Clemens hat Erfahrungen in der Entwicklung, die konnte er natürlich jetzt in die Entwicklung der Jacke einfließen lassen. Am Anfang stand für uns aber eine andere Frage?
Welche?
Philine: Brauchen die Leute wirklich eine Fahrradjacke. Es ist eine Sache, dafür zu sorgen, dass die Leute länger Rad fahren. Es ist aber etwas anderes, ob sie dafür auch eine Jacke kaufen.
Wir haben schnell gemerkt, dass es Fahrradbekleidung wie Sand am Meer gibt. Die sieht aber oft aus, als würde man von der Rennstrecke kommen. So kann man nicht zum Meeting fahren. Von diesem gedanklichen Punkt sind wir gestartet.
Wie geht man von dort aus weiter?
Clemens: Philine kam, wie gesagt, mit dem Gedanken auf mich zu, dass man mit einer guten Jacke doch die Saison für Radfahrer:innen verlängern könnte. Ich habe damals noch ein Immobilienportfolio gemanagt und hatte nur mit Mieter:innen und Mietverträgen zu tun. Aber ich hatte mit dem Fahrrad in dem Sinne zu tun, dass ich jeden Tag damit zur Arbeit und wieder nach Hause gefahren bin. Und manchmal auch zu den Immobilien. Ich habe in dieser Zeit viel experimentiert, zum Beispiel mit einer Neonweste oder mit einer dicken Jacke, die auch Temperaturen von minus 30 Grad aushält. Ich bin aus Schweden und im Winter dort ist sie perfekt. Aber hier?
Eher nicht!
Clemens: Genau. Aber die Jacke hatte eine riesige Kapuze, weil sie fürs Skifahren gemacht war. Das war im Winter natürlich perfekt und als ich das gemerkt habe, habe ich das oft genutzt und mir nur gedacht, dass es natürlich super wäre, wenn die Jacke jetzt ein bisschen schlanker wäre. Das ist die Art von Gedanken, die so einen Entwicklungsprozess begleiten.
Eine Jacke ist kein triviales Produkt. Man baut nicht einfach aus dem Nichts eine neue zusammen. Wie geht man da vor?
Philine: Clemens hat als Student schon mal ein Kleidungsstück entworfen und verkauft.
Clemens: Das stimmt. Daher wusste ich, dass das geht. Allerdings war es ein ganz anderes Produkt. Ich habe damals Espadrillos verkauft, das sind diese französischen und spanischen Slip-on-Schuhe. Wir hatten die Firma übernommen und sind nach dem Abitur nach Asien gefahren, um dort dann mit Alibaba zu sourcen und nach Herstellern zu suchen. Wir haben unsere Marke Crème de La Crème getauft und ein goldenes Label auf die Schuhe genäht. Daher wusste ich grundsätzlich, wie man das macht.
Wir stehen jetzt noch vor der Entwicklung. Wie fängt man konkret an?
Clemens: Wir haben uns ein Designstudio in Berlin gesucht. Das war tatsächlich komplizierter als gedacht. Viele wollen keine neuen Aufträge annehmen. Wir haben dann eins in Marzahn gefunden und mussten gemeinsam mit denen überlegen, wie man eine Jacke von Anfang an neu denken kann.
Also hatten die in dem Bereich auch keine Erfahrung?
Philine: Nein, die waren auch Quereinsteiger auf dem Gebiet. Sie kannten sich eher auf dem Gebiet Unterwäsche aus. Und ich glaube, die haben auch Brautkleider gemacht.
Was ist die Aufgabe eines Designstudios in dem Prozess?
Clemens: Eigentlich wollten wir, dass sie uns ein Tech-Pack entwickeln. Das heißt, sie liefern uns 15 Seiten Beschreibung, welche Funktionen die Jacke haben muss. Damit wollte ich dann nach China zum Sourcing fahren.
Warum China?
Clemens: Wir haben natürlich global gesucht. Aber es ist einfach so, dass China das einzige Land ist, in dem solche Materialien für Händler erschwinglich hergestellt werden. Nur so kann man einen vernünftigen Preis für die Kund:innen gestalten. Übrigens auch ein wichtiger Faktor bei der Jackenentwicklung.
Nehmt mich doch mal mit auf die Gestaltungsreise. Was für Funktionen muss eine Fahrradjacke haben?
Philine: Gute Frage, die haben wir uns am Anfang natürlich auch gestellt. Klar ist, dass sie windabweisend sein muss. Klar ist auch, dass kein Wind in die Ärmel gelangen sollte.
Clemens: Ich habe während der Entwicklung sehr viel ausprobiert. Ich war unser erster Kunde. Ich habe mich intensiv mit jedem Sample auseinandergesetzt, bin damit herumgefahren und habe mich gefragt, was man daran verbessern muss.
Philine: Für uns war es wichtig, dass wir von Anfang an unsere Zielgruppe ganz klar im Kopf hatten.
Welche war das?
Philine: Eltern, wie wir.
Warum so spezifisch?
Philine: Wir fahren am Tag bestimmt fünf, sechs Mal hin und her. Das sind sehr spezifische Abläufe. Man muss ankommen, verschwitzt auf die Kinder warten, dann fährt man wieder. In der Kita ist es auf einmal sehr warm, draußen ist es dann wieder kalt. Und man will sich nicht andauernd an- und wieder ausziehen. In andere Jacken kommt überall der Wind rein, das ist alles nicht schön.
Man geht mit eurer Jacke immer noch rein und raus – wo ist der Unterschied?
Philine: Sie ist sehr atmungsaktiv und sehr dünn. Wenn man im Winter fährt, muss man Lagen drunter haben, aber das ist genau der Plan. Die Jacke hält Wind und Wetter ab, warm macht die Kleidung drunter. Außerdem haben wir große Reflektoren angebracht und dafür gesorgt, dass die Jacke sehr gut belüftet ist. Ich habe sie fast immer an, wenn ich draußen bin. Wir haben sogar eine Challenge, dass wir immer mit dem Rad unterwegs sind. Unsere Freund:innen verarschen und schon.
Clemens: Windschutz ist fast wichtiger als Wasserschutz. Man wird auf dem Rad weniger nass, als man denkt. Vor allem im Gesicht. Das gilt natürlich nur, wenn es nicht in Strömen regnet. Trotzdem: Was uns wirklich abhebt ist die Helmkapuze. Wir haben alle Features anderer Jacken genommen, die wir wichtig fanden und in dieser Jacke untergebracht. Die Kapuze ist dabei besonders wichtig. Und natürlich verkaufen wir sie auch explizit als Fahrradjacke.
Wie kommt das an?
Philine: Sehr gut! Wir müssen jetzt tatsächlich die nächste Bestellung machen, weil das erste Badge fast ausverkauft ist.
Werdet ihr die Jacke wieder verändern?
Philine: Wir haben sehr viel Feedback bekommen. Ich habe das mithilfe von ChatGPT geclustert und es sind viele gute Dinge dabei.
Clemens: Wir überlegen gerade noch, was und ob wir etwas davon in der nächsten Charge umsetzen. Das würde uns nämlich langsamer machen und wir wollen natürlich so schnell wie möglich alle Produkte wieder vorrätig haben.
Wer sind Philine & Clemens Möller?
Philine und Clemens Möller leben und arbeiten in Berlin. Philine verantwortete das Marketing des E-Bike-on-demand-Services "Dance". Die Arbeit dort brachte sie auf die Idee, eine Jacke speziell für Radfahrer:innen zu entwickeln. Dafür überzeugte sie ihren Mann Clemens, der eigentlich im Immobilien-Business beheimatet ist, gemeinsam mit ihr auf Innovationsreise zu gehen.