robotspaceship: Das Stichwort ist Information-Overflow – was können wir da tun?
Martin Kaelble: Wir kommen aus einer Dekade, in der wir den Content-Überfluss zelebriert haben, in der es einfach viel gab. Social Media-Konsum kam auf, für News sind Aggregatoren entstanden. Die hatten alle gemein, dass wir als Konsument:innen auf einmal wahnsinnig viel Content zur Verfügung hatten. Das wurde, wenn man so will, alles auf uns drauf geschüttet. Und das war auch geil, das war neu und das war irgendwie schön.
Unendlich viele Inhalte also?
Ja, aber spannend wird es ja erst jetzt. Denn jetzt erleben wir eine Art Gegentrend, einen Backlash – die Leute sind ganz einfach überfordert. Das heißt: Sie rufen nach einer Art Filter, gib mir eine Digital-Detox-App, bring mich weg vom Content-Overkill.
Deshalb auch Informed?
Ja, wir glauben, dass wir jetzt in diesen gegensätzlichen Trend kommen. Überfluss wird es immer geben, aber eben auch zunehmend das Bedürfnis, das Ganze gefiltert zu bekommen. In ganz vielen Bereichen übrigens.
Also kommen wir jetzt in die Zeit der Kontroll-Instanzen für Content?
Genau.
Kann ich denen vertrauen?
Man muss auf der einen Seite lernen, neuen Playern zu vertrauen. Vor allem muss man aber verstehen, warum man manche Inhalte angeboten bekommt. Das war ja eines der Probleme in den vergangenen Jahren. Facebook oder andere haben die die Inhalte eben auf Basis von Algorithmen ausgespielt. Die User:innen haben irgendwann gemerkt, dass sie dann in den Filterbubbles landen, dass Missinformationen und Fake News da drin stecken können. Solange es ein Algorithmus oder von eine künstliche Intelligenz entscheiden, was du siehts, wird es auch immer ein Vertrauensproblem geben.
Was ist also die Lösung – Vertrauen lernen?
Ich glaube, dass wir auf der anderen Seite eher das Misstrauen schärfen müssen! Wir müssen uns vielmehr darüber bewusst werden, woher eine Message kommt und warum sie in der Welt ist. Wir erleben es ja jetzt in der Diskussion um ChatGPT: Die Fake News-Gefahr ist deshalb so groß, weil gar nicht mehr klar ist, aus welchen Quellen ein Text zusammengesetzt ist. Ich finde auch, dass wir gerade junge Menschen viel mehr Ausbilden müssen im Medienkonsum, das ist in Zukunft ein absolut gefragter Skill.
Wie bildet ihr Vertrauen?
Über Transparenz. Wir machen klar, dass wir natürlich eine Maschine mit an Bord haben, auf der anderen Seite sitzen aber sehr gut ausgebildete Journalist:innen, die jede Quelle sehr kritisch prüfen.
Unternehmen bewegen sich ja genau in demselben Spannungsfeld: Sie müssen kommunizieren, sorgen dann aber auch für Informations-Overkill. Wie löst man das Problem?
Durch fachliche Kompetenz. Und dadurch, dass man von seiner Arbeit überzeugt ist. Ich bin jetzt Unternehmer, war aber lange Journalist. In unserem Business ist das natürlich ein Vertrauensanker – den werfen wir aus. Effiziente PR in Zeiten von Content-Overkill bedeutet aber auch, dass, wenn wir kommunizieren, es nicht redundant ist. Gute Kommunikation findet nicht zum Selbstzweck statt. Wenn ich kommuniziere, muss ich einen echten Mehrwert schaffen – und natürlich muss man auch aus der Masser herausstechen.
Was heißt das?
Es muss eine echte Story sein, eine richtige Geschichte, etwas, wo jeder sagt, das will ich lesen, hören, sehen. Wenn es einfach nur eine weitere Pressemeldung ist, ein weiteres Posting auf Social Media – dann braucht das heute kein Mensch mehr. Was ist wichtig, wo sticht man heraus? Dann findet man damit auch seinen Platz im Morgenmagazin.
Zusammengefasst bedeutet das: Qualität, Medien-Awareness und Können?
Ja, man muss sich wirklich anstrengen. Wir leben in einer Überflussgesellschaft und das gilt eben auch für Content. Wir müssen Dinge schaffen, die einen echten Wert haben. Sonst sollte man es lieber lassen. Ich finde, das wäre gute PR-Beratung.
Was macht denn für euch eine gute Information aus?
Wir haben in Zusammenarbeit mit unserem Advisory Board starke Editorial Principles entwickelt. Wir haben da nicht nur geguckt, was eine Information zu einer guten macht, sondern welche Quelle ist auch vertrauenswürdig. Wir haben da früh eine User Research gemacht und dabei kam heraus, dass die Leute auch wollen, dass unsere Informationen nicht sensationsgetrieben sind. Das ist also das genaue Gegenteil von Facebook und so weiter. Das ist aber ein Prozess, der nie abgeschlossen sein kann. Da müssen wir immer weiter anpassen.
Was ist Informed?
Informed ist ein in Berlin ansässiges Unternehmen, das es sich zum Ziel gemacht hat, Ruhe in den News-Konsum zu bringen. Dafür kuratieren erfahrene Journalist:innen internationale Outlets und sammeln die wichtigsten Geschichten auf ihrer Plattform, geben einen kurzen Überblick und erlauben einen fundierten Deep-Dive in die Themen, die gerade wirklich wichtig sind. Martin Kaelble ist einer der Gründer von Informed. Bevor er Unternehmer wurde, war er Journalist und leitete unter anderem den Online-Auftritt des Wirtschaftsmagazins Capital.